Ein Kommentar von Marc Komoth, Präsident des Musikverbandes Födekam Ostbelgien

Hatten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, einen schönen Sommer? Sind Sie persönlich und ist Ihr Verein nach der wohlverdienten Pause wieder gut in ein neues Jahr gestartet? Ich erlaube mir an dieser Stelle, über die anstehenden Herbst- und Weihnachtskonzerte hinaus einen Blick in die weitere Zukunft zu richten.

Der konkrete Anlass für meine Überlegungen sind Zahlen, die mir ganz informell von der Musikakademie der Deutschsprachigen Gemeinschaft genannt wurden: In den vier nördlichen Gemeinden Ostbelgiens haben sich an Holz- oder Blechblasinstrumenten sowie Schlaginstrumenten für das neue Schuljahr insgesamt nur „knapp über 20“ neue Schülerinnen und Schüler eingeschrieben. Klarinetten und Flöten, früher Instrumente, für die junge Musiker sich massenweise entschieden, sind bei Kindern hier so gut wie nicht mehr gefragt. Im Vergleich dazu die aktuelle Zahl der Musikakademie aus den fünf südlichen Gemeinden für die Holz- und Blechblas- sowie Schlaginstrumente: „weit mehr als hundert neue Schülerinnen und Schüler“.

Als Verband vertritt Födekam vielfältige Richtungen musikalischer Ensembles: vom Chor bis zum Spielmannszug, außerdem Streicher, Akkordeonisten, Zupf-Instrumentalisten und zahlreiche Gruppierungen unterschiedlicher Ausrichtung. Die oben genannten Zahlen betreffen nur einen einzigen dieser Bereiche, nämlich den, der gemeinhin unter der Bezeichnung „Musikverein“ zusammengefasst wird. Und außerdem ist er geographisch klar abgegrenzt: Im Norden Ostbelgiens, wird die Lage als „dramatisch“ gewertet, während im Süden „die Welt noch in Ordnung“ ist.

In ihrer Gesamtheit betrachtet, gibt die Entwicklung der Musikausbildung in unserer Gemeinschaft keinen Anlass zur Sorge: Die Schülerzahlen der Akademie sind seit Jahren konstant oder sogar leicht steigend. Das Hobby Musik ist also absolut nicht „out“ – im Gegenteil! Bei den Streich-Instrumenten gibt es einen regelrechten Boom und neue musikalische Richtungen haben erfolgreich ihren Weg zu einer professionellen Ausbildung im Rahmen der Musikakademie gefunden.

Dennoch bereitet mir dieses „knapp über 20“ Sorgen. Die Musikvereine stellen von den Mitgliederzahlen her in unserer Heimat die größte Gruppe von Instrumentalisten. Mit ihnen ging es seit vielen Jahrzehnten stetig bergauf: mehr Mitglieder, bessere Ausbildung, höheres Niveau, großartige Veranstaltungen, … Doch diese aktuelle Zahl beweist in erschreckender Deutlichkeit, dass vielleicht eine Art Trendwende eingesetzt hat, dass andere Musikrichtungen als attraktiver empfunden oder – umgekehrt ausgedrückt – dass Harmonien und Musikvereine in den Augen der Kinder (oder ihrer Eltern?) womöglich nicht mehr so attraktiv sind. Die Frage nach den Gründen für diese Entwicklung drängt sich auf. Meine Sorgen werden noch größer, wenn man überregionale Tendenzen berücksichtigt: Ist zu befürchten, dass die Entwicklung der Musikvereine in der Eifel in einigen Jahren derjenigen im Eupener Land folgen wird?

Wenn ich also den Blick in die weitere Zukunft richte, sehe ich dann, dass mit rückläufigen Schülerzahlen an der Akademie die Zeit der Musikvereine zu Ende geht? Ich sage „Nein“ - auch wenn mir bewusst ist, dass es längst nicht mehr in jedem Dorf einen Musikverein gibt und in Zukunft wohl noch weniger geben wird.

Ich möchte alle Vereine erneut aufrufen, sich über ihre Entwicklung Gedanken zu machen, sich in Frage zu stellen und dem schwierigen, aber ungemein wichtigen Bereich der Nachwuchsarbeit allergrößte Bedeutung beizumessen. Ich möchte unsere „Vereinsmenschen“ um Kreativität, Ideenreichtum und um noch mehr Engagement bitten. Lassen Sie Ihre Gedanken und (best-practice)-Ideen auch gerne dem Musikverband Födekam zukommen. Wir würden uns freuen, wenn wir demnächst dazu austauschen und uns gegenseitig unterstützen könnten.

Mit der Musikakademie hat Ostbelgien jedenfalls eine Einrichtung, die Kindern mehr denn je eine hervorragende Ausbildung in dem unserer Meinung nach „schönsten Hobby der Welt“ bietet. Doch Interesse wecken für dieses Hobby, das ist neben dem Elternhaus und der Schule nicht zuletzt auch Sache der Vereine. Und das nicht erst, wenn es zu spät ist, sondern jetzt! Nicht nur sporadisch, sondern kontinuierlich. Es gibt viel zu tun… packen wir es an!

Marc Komoth, Präsident