Ein Interview mit dem Vorsitzenden der Jury

Ein Artikel von Anne und Jochen Mettlen 

Bei der Einstufung wurden die Harmonien und Fanfaren von einer dreiköpfigen Jury bewertet. Vorsitzender der Jury war der renommierte belgische Komponist, Dozent und Dirigent Kevin Houben. Mit dem Limburger sprachen wir über das Wertungsspiel.

Kevin Houben, wie haben Sie die Einstufung erlebt?

Ich habe sie sehr genossen. Im Vorfeld denkt man, dass das ein Marathon wird, aber sobald man der Musik folgt, vergeht die Zeit wie im Fluge. Mir ist aufgefallen, dass sehr viele junge Menschen in den Vereinen spielen. Ich habe sehr gute Dirigenten gesehen und die Auswahl der Werke war sehr interessant. Die Organisation war hervorragend, das Timing wurde eingehalten, was bei so vielen Vereinen nicht einfach ist. Das enorme Zuschauerinteresse über das gesamte Wochenende war beeindruckend.

Wie war das Leistungsniveau?

Ich bin von der Qualität der Vereine nicht nur in den höheren Kategorien, sondern vor allem in den tieferen Klassen begeistert. Das Niveau der ostbelgischen Musikvereine ist in meinen Augen seit der letzten Einstufung gestiegen. Jeder Verein wurde in seiner Leistungsstufe bestätigt, obwohl die Unterschiede mitunter groß sind. Daher ist es für eine Jury nicht leicht, den Vereinen ein ,ehrliches Zeichen‘ zu geben. Das versuchen wir sehr respektvoll zu tun. In den Berichten stehen natürlich viele positive Punkte, aber auch möglichst viele Arbeitsansätze, zum Beispiel in punkto Phrasierung und Intonation, was bei einigen Vereinen aus den mittleren und unteren Kategorien ein Problem darstellt. Das fällt meistens bei einer kleinen Orchestrierung und sanften Klängen auf. Diese Punkte zu trainieren ist schwierig und bedarf einer ganz besonderen Arbeit. Für derartige Passagen muss man Lösungen suchen. Das Umändern der Orchestrierung oder das Aufteilen gewisser Passagen kann Abhilfe schaffen. In Sachen Rhythmus, Technik, Balance, Musikalität und Zusammenspiel habe ich sehr, sehr schöne Dinge gehört.

Und am zweiten Tag?

Der Auftritt der Harmonie Hergenrath war ein Genuss. Die Musikauswahl war toll und ich bin ein sehr großer Fan vom Dirigenten (A.d.R.: Rainer Hilger). Er macht seinen Job mit sehr wenig Ego, gibt seinen Musikern viel Raum und ist genau dann präsent, wenn es nötig ist. Ich kenne die Stücke und die heiklen Passagen sehr gut. Die Harmonie war hervorragend vorbereit und ist das Ganze sehr klug angegangen. Beim grandiosen Finale des zweiten Werkes, „El Jardín de Hera“, haben sie mit einer unglaublichen Intensität gespielt und die Leute von den Stühlen gerissen. Auch in der Ehrendivision und in der Exzellenzklasse habe ich hervorragende Orchester gehört und sehr gute Dirigenten gesehen. Das war beeindruckend. Beindruckend fand ich auch die Fanfare (A.d.R.: Musica Nova), die mit viel Risiko gespielt hat. Die Soloeinlagen mit Flügelhorn und Sopransaxophon sind herausfordernd. Das haben sie sehr musikalisch und sauber interpretiert.

Einige Vereine sind eine Klasse tiefer, andere eine Kategorie höher angetreten. Am auffallendsten war der Schritt des Symphonischen Blasorchesters der Belgischen Eifel (sbbe), das 75% in der Höchststufe erreichte. Wie bewerten Sie den Auftritt?

Wir waren uns in der Jury einig und haben mit der Bewertung auch ein deutliches Zeichen setzen wollen. Der Unterschied zwischen den beiden Höchststufenorchestern war groß. Ein Werk hat Schwierigkeitsgrad fünf und die „Symphony Nr. 1“ von Cesarini ist äußerst schwierig. Ein bombastisches Klangstück, das man quasi mit 150 Musikern, Chor und Kirchenorgel vortragen müsste. Deshalb kann ich die Wahl des Stückes nicht ganz nachvollziehen. In diesem Orchester ist Basisarbeit nötig und ich hoffe, dass der Verein daraus die richtigen Lehren zieht. Mit der Basis arbeiten und sich mit weniger schweren Stücken hocharbeiten.

Welche Rolle spielt die Auswahl der Werke?

Das ist enorm wichtig und sollte vom Dirigenten zum Beispiel in einer Musikkommission besprochen werden. Das mache ich auch. In den unteren Kategorien sollte man meiner Meinung nach nicht zu viel mit Solisten arbeiten, es sei denn auf diesem Stuhl sitzt die richtige Person. Man sollte immer auf Nummer sicher gehen und die Stärken und Qualitäten des Orchesters in den Vordergrund stellen. Da es kein Pflichtwerk mehr gibt, können die Vereine ihre Stücke selbst aussuchen und doch haben sie mich ab und zu mit ihrer Auswahl überrascht. Für das Publikum klingt der Saal gewaltig. Einige Musiker haben mir erzählt, dass das Spielen auf der Bühne schwierig ist, da alles sehr trocken klingt und man sich gegenseitig nicht gut hört. Diese Faktoren muss man in der Vorbereitung miteinbeziehen. Ganz lassen sich diese Probleme mit einer oder zwei Proben im Triangel natürlich nicht lösen.