Als „nationaler Botschafter für den Chorgesang“ versteht sich der belgische Jugendnationalchor BEvocaL. Ein Jugendchor für 18- bis 28-Jährige aus dem ganzen Land, hochrangig, modern und kreativ – so lautet die Zielsetzung dieser von den Musikverbänden Koor & Stem, À Coeur Joie und Födekam unterstützten Initiative.  Die Entwicklung von Stimme und Persönlichkeit soll bei BEvocaL gefordert und gefördert werden. Mit Dirigent Jori Klomp und Sopranistin Samira Schür hat der Chor aktuell Bezug zu Ostbelgien. Mit den beiden führten wir folgendes Interview. 

Hallo Jori. Möchtest du dich vorstellen und deine Beziehung zu Ostbelgien erläutern?

Gerne. Ich bin geboren und aufgewachsen in Malmedy. Meine ersten musikalischen Schritte als Chordirigent fanden in Recht statt, beim Kirchenchor, wo ich mit 17 Jahren angefangen habe und den ich sieben Jahre lang geleitet habe. Nachdem ich in Maastricht Gesang und Saxophon studiert habe und meinen Master-Abschluss Chorleitung in Utrecht absolviert habe, habe ich angefangen, am Aachener Theater zu arbeiten. Ich bin dort jetzt Chordirektor und Kapellmeister. Ich genieße meinen wunderschönen und vielseitigen Job, in dem ich mit Profis und Laien und auch mit Kindern arbeiten darf!

Was sind deine bisherigen musikalischen Erfahrungen und Aktivitäten?

Neben meinem Job am Theater in Aachen arbeite ich als Chor- und Assistent-Dirigent bei Opera Zuid in Maastricht. Es ist für mich unglaublich wertvoll, meine gesammelten Erfahrungen an die studierenden Musiker weiterzugeben. Deshalb bin ich sehr dankbar für meinen Job an der Musikhochschule Maastricht, wo ich in der musikpädagogischen Abteilung Chorleitung und Chorschulung unterrichten darf. Und ebenso dankbar bin ich, regelmäßig beim Kammerchor „Studium Chorale“ singen zu dürfen. Damit behalte ich einerseits den Bezug zum Konzertrepertoire und kann mich anderseits auch weiter als aktiver Sänger betätigen.

Seit wann leitest du BEvocaL und wie wertest du diese Erfahrung? Was ist „das Besondere“ an diesem Chor?

Seit 2020 bin ich Dirigent von BEvocaL. Was diesen Chor so besonders macht, ist unter anderem, dass wir über die Sprachengrenzen hinweg die besten jungen Sänger des Landes versammeln. Wir mischen Hochschulstudenten mit guten Laiensängern. Die Mitglieder sind zwischen 18 und 28 Jahre jung. Dieses junge Alter macht den Chor sehr dynamisch. Die Sänger lernen schnell, studieren selber die Musik ein, haben eine gute stimmliche Basis und sind extrem motiviert und fleißig. 

Wie schätzt du das Niveau des Chores ein? Was ist für BEvocaL möglich? Wo liegen die Beschränkungen?

Als nationaler Jugendchor hat BEvocaL irgendwie eine Vorbildfunktion. Unser Repertoire soll anspruchsvoll sein, aber auch zugänglich! Wir haben uns entschieden für überwiegend klassische Musik und wollen auch belgische Komponisten würdigen. Zusätzlich hat BEvocaL auch eine verbindende Funktion, weshalb wir regelmäßig Freundschaftskonzerte organisieren mit anderen jungen belgischen Chören. Mit einem Chor von diesem Niveau ist eigentlich keine Herausforderung zu groß. Die Sänger werden jedes Jahr neu angeworben, die Zusammenstellung des Chores ändert und erneuert sich also dauerhaft, das Konzept und die Identität von BEvocaL steht aber und wird trotz dieser Dynamik beibehalten. 

Welche schönen Erfahrungen hast du mit dem Chor gemacht?

Unsere schönste Erfahrung waren die World Choir Games, wo wir mit einem zahlreichen Publikum im sehr professionellen Rahmen von Antwerpen Expo sozusagen Gastgeber sein durften. Hierbei haben wir Auftragswerke gewissermaßen für die ganze Welt gesungen. Am gleichen Wochenende waren wir auch zu Gast beim Sender Klara für „Iedereen Klassiek“. Dort haben wir in einer sehr schönen Akustik und einer intimen Atmosphäre ein tolles Konzert geben dürfen, welches live übertragen wurde. Dabei hat BEvocaL wirklich gezeigt, was er kann! 

Sind die unterschiedlichen Sprachen, die unterschiedliche Herkunft der Sänger und Sängerinnen ein Problem oder eine Bereicherung?

Die unterschiedlichen Sprachen sind ohne Zweifel eine Bereicherung, Belgien als Land verbindet uns ja! Natürlich muss man am Anfang suchen, wie man am besten kommuniziert. Leider beherrschen nicht alle Sänger die drei Sprachen des Landes. Aber für mich ist Englisch dann keine Lösung. Wir sprechen dann eher die drei Sprachen bunt durcheinander. Im künstlerischen Team hat jeder natürlich seine Muttersprache, aber wir mischen die Sprachen und somit verstehen wir uns alle. Es klingt wie ein Klischee, aber die Musik spricht für sich und verbindet uns so sehr, dass wir nicht mehr über unsere verschiedenen Sprachgemeinschaften nachdenken müssen.

Wie funktioniert das Zusammenspiel mit deinem Dirigentenkollegen Benoît Giaux und mit Vocal Coach Liesbeth Devos?

In einem Team zu arbeiten, ist natürlich sehr wertvoll. In einem Team spiegelt man einander und wird auch irgendwie mit sich selbst konfrontiert. Dies ist nicht immer einfach. Es kommt nicht so oft vor, dass ein Chor zwei Dirigenten hat. Aber das ist letztendlich auch für uns als Dirigententeam eine sehr große Bereicherung. Wir wachsen zusammen und mit dem Chor mit!  Liesbeth legt ihren Focus mehr auf die Stimmbildung und arbeitet während unserer Probezeit mit einzelnen Sängern und Sängerinnen. Das ist natürlich eine unglaubliche Bereicherung, für die einzelnen Sänger, aber auch für den Chorklang. Wir entwickeln so zusammen eine einheitliche musikalische Sprache. 

Wie geht es für dich weiter? Welche Erwartungen hast du an BEvocaL?

Als Dirigenten sind wir für die Dauer von drei Jahren angestellt. Ich bin sehr dankbar, dass ich zur Entwicklung des Jugendnationalchores beitragen darf! Ich hoffe, dass wir uns auf großen internationalen Festivals, aber auch in allen Gemeinschaften Belgiens zeigen dürfen, dass wir mit unserem anspruchsvollen Programm viel Freude weitergeben und ganz Belgien begeistern können. Das Einzige, was uns noch fehlt: landesweite Bekanntheit!

 

Samira Schür (auf dem Bild ganz rechts): „menschlich und musikalisch eine wichtige Erfahrung“

Hallo Samira, möchtest auch du dich bitte vorstellen?

Ich bin 20 Jahre alt, komme aus Rodt und beende dieses Jahr mein Bachelor-Studium in Gesang am Konservatorium in Lüttich.

Was sind deine bisherigen musikalischen Erfahrungen und Aktivitäten?

Letztes Jahr habe ich an der Musikakademie der Deutschsprachigen Gemeinschaft meinen Unterricht im Fach Querflöte mit einer Goldmedaille beendet. Seit 2017 singe ich bei Carmina Viva. Vorher war ich Mitglied in der „Maîtrise“, dem Kinder- und Jugendchor der Lütticher Oper. So hatte ich die Chance, bei Opernproduktionen wie der Zauberflöte, Otello und Turandot mitzuwirken. Zudem habe ich in Ostbelgien an Projekten wie Play-In und Vocal Project teilgenommen.

Seit wann singst du bei BEvocaL und wie wertest du diese Erfahrung?

Ich bin dabei, seit die (fast) neue Gruppe des Chores im August gestartet ist. Es ist menschlich und musikalisch für mich eine wichtige Erfahrung, da ich viele junge Sänger aus dem ganzen Land kennenlerne und wir gemeinsam den belgischen Chorgesang vertreten. Viel Spaß dabei machen auch die Gespräche in den drei Landessprachen. Die offizielle Kommunikation findet manchmal jedoch auf Englisch statt, da dies einfacher und schneller geht.

Wie schätzt du das Niveau des Chores ein? Was ist für BEvocaL möglich? Wo liegen die Beschränkungen?

Wir haben als Chor in den letzten vier Monaten schon ein sehr gutes Niveau erreicht. Aber gemeinsam mit unseren Dirigenten haben wir noch großen Ehrgeiz, immer mehr im Detail zu arbeiten und uns weiter zu verbessern. Es braucht immer Zeit, die gute Qualität eines neuen Chores auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen. Ich denke aber, dass da noch viel möglich ist. Da wir uns nicht jede Woche, sondern auf das ganze Jahr verteilt an bestimmten Wochenenden sehen, ist die Probezeit immer intensiv.

Welche schönen Erfahrungen hast du mit dem Chor gemacht?

Jedes Konzert ist ein Ereignis für sich. Und auch bei den Proben gibt es viele schöne Momente. Besondere Highlights waren für mich das Singen eines für uns neu komponierten Werkes in der Kirche Sainte-Waudru in Mons sowie die World Choir Games in Antwerpen. Spannend war zudem der Besuch der Komponisten während der Probewoche in Burg-Reuland, die ihre im Auftrag unseres Chores geschriebenen Kompositionen persönlich vorgestellt und mit uns an deren Einstudierung gearbeitet haben. Das ostbelgische Werk „Aus tiefer Not“ hat übrigens Paul Pankert geschrieben.

Wie wichtig sind Kontakte und Freundschaften mit den anderen Sänger*innen und Dirigenten?

Sehr wichtig! Das gestärkte Gruppengefühl hat auch einen positiven Einfluss auf den Chorklang. Der gegenseitige Austausch von Ideen und Meinungen spielt dabei eine Rolle. Und natürlich verbringen wir nach den Proben oft noch einige schöne und gemütliche Stunden zusammen.

Was muss ein Sänger oder eine Sängerin mitbringen, um in diesem Chor mithalten zu können?

Eine professionelle Gesangsausbildung ist nicht notwendig, auch Instrumentalisten sind herzlich willkommen. An der Gesangstechnik wird sowohl in den Proben als auch vor allem mit Vocal Coach Liesbeth Devos in Einzelunterrichten gefeilt. Chorerfahrung ist dennoch von Vorteil, da in vergleichsweise kurzer Zeit ein anspruchsvolles Programm erarbeitet wird. Außerdem muss man als Sänger oder Sängerin bei BEvocaL dazu bereit sein, die Proben und Konzerte zu Hause aktiv vorzubereiten.

Was kannst du Kandidaten beim Vorsingen mit auf den Weg geben?

Gute Vorbereitung und Begeisterung für die Musik sind auf jeden Fall wichtig. Man sollte sich aber nicht zu sehr stressen, denn aus Erfahrung kann ich sagen, dass die Atmosphäre sehr angenehm ist. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, weitere Sänger*innen aus Ostbelgien bei BEvocaL zu begrüßen!

Wie geht es für dich beruflich und in Bezug auf BEvocaL weiter?

Ich setze mein Studium mit einem Master fort. Und solange es möglich ist, bin ich weiter mit Begeisterung bei BEvocaL dabei.